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STUTTGART 4.2.2000



Die Stadtgeschichte verschwindet im Archiv

Kein Platz im Tagblatt-Turm - Umzug nicht möglich

Der Stadtgeschichtlichen Sammlung im Tagblatt-Turm droht das Aus. Die Räume sollen in diesem Jahr für ein Kinder- und Jugendtheater umgebaut werden. Die Exponate zur Stadtgeschichte wandern dann auf unabsehbare Zeit in die Magazine.

VON KONSTANTIN SCHWARZ

¸¸Es ist kein direkter Anschluss gesichert'', sagt Roland Müller, der Leiter des Stadtarchivs. Mit dem Umbau muss Müller die 600 Quadratmeter, die für die Präsentation der Stadtgeschichte im Tagblatt-Turm seit Ende 1994 zur Verfügung stehen, abgeben. Das Wilhelmspalais, im dem die Stadtbibliothek untergebracht ist, gilt dem Historiker als ¸¸Verheißung'', doch erst in sechs bis acht Jahren könnten dort Räume frei werden - wenn überhaupt, denn der Bibliotheksneubau hängt vom Projekt Stuttgart21 ab, und dessen Ausgang ist ungewiss. Sechs bis acht Jahre aber sind eine ¸¸zu lange Durststrecke'', warnt Müller, der das Wilhelmspalais als ¸¸hervorragenden Standort'' ansieht.

Während landauf, landab Museen zur Stadtgeschichte florieren, fristet die Stuttgarter Sammlung ein Schattendasein. ¸¸Die Museumswelle der letzten 20 Jahre hat uns nicht erfasst'', sagt Müller. ¸¸Ganz wenige'' Besucher fänden in die Ausstellung in den Tagblatt-Turm, die nur montags und mittwochs von 10 bis 17 und samstags von 10 bis 16 Uhr geöffnet ist.

Müller will die drohende Durststrecke nutzen und aus der ¸¸Not eine Tugend machen''. ¸¸Wir wollen jetzt sofort ein Konzept und eine Perspektive entwickeln, wie die Sammlungen künftig präsentiert werden sollen'', sagt er. Angesprochen werden sollen auch Bürger, bei denen ¸¸sicher noch Exponate schlummern'', und Firmen.

Unterstützung erhält der Stadtarchivar von der Fraktion der Grünen im Gemeinderat. Sie will im Haushalt 100.000 Mark für die Erarbeitung eines Ausstellungskonzepts zur Verfügung stellen. ¸¸Die Exponate müssen gewertet, es müssen Kooperationen zum Beispiel mit dem Haus der Geschichte des Landes geprüft, es muss der Raumbedarf abgeklärt werden'', fordert Michael Kienzle von den Grünen. Kienzle bringt neben dem Wilhelmspalais noch einen weiteren Ort ins Spiel, an dem die Stadtgeschichte belebt werden könnte: die in städtischem Besitz befindliche Villa Gemmingen. Die Stadt aber plant den Verkauf des Hauses, aus dem das Landesdenkmalamt auszieht.

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