Stuttgarter Zeitung Kreis Esslingen 7.1.2000



Kirchheims Unterwelt steckt voller Rätsel

Neue Funde in Altstadtkeller

KIRCHHEIM/Teck. Kirchheims Untergrund ist wie ein Bilderbuch. Kaum haben Kanalisationsarbeiten in der Marktstraße nähere Aufschlüsse zur Stadtmauer erbracht, lassen sich jetzt gleich daneben in der Widerholtstraße weitere Seiten des Bilderbuchs aufschlagen.

Von Gunther Nething

Zwar liegt seit März letzten Jahres für die Teckstadt ein Stadtkataster vor, doch ist so ein Werk naturgemäß nie fertig. Davon können Kirchheims Museumsleiter Rainer Laskowski und ein ehrenamtlicher Kreis von Helfern einer Arbeitsgruppe Archäologie ein Lied singen. Immer wenn in der Kernstadt ein Neubau entsteht, lassen sich fast Wetten abschließen, dass der Untergrund Geheimnisse preisgibt oder Rätsel behält.

Jüngstes Beispiel ist das Haus Widerholtstraße 9. Das Gebäude soll abgerissen werden, und es ist auch denkmalrechtlich nicht weiter von Belang, was aus dem Boden guckt. Doch der Keller hat's in sich. Zum einen durch die Art und Zusammenstellung der Mauersteine, zum andern durch die Entdeckung von gleich zehn Nachgeburtsgefäßen im gewachsenen Boden. Was die Häufung von Funden solcher Plazenta-Urnen angeht, so wird Kirchheim oft im Zusammenhang mit Bönnigheim im Kreis Ludwigsburg und Sindelfingen genannt.

Interessant aber ist vor allem die Lage des Kellers unmittelbar im Bereich der früheren Stadtmauer. Und so haben Laskowski und seine Helfer in den unteren Lagen der Kellermauer denselben Stein entdeckt wie im Fundament der Stadtmauer, nämlich den bläulichgrauen Arietenkalkstein. Die Stadtmauer entstand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, das Material haben die Kirchheimer in der Kitteneshalde oder bei Ötlingen gewonnen. Die wegen der Fortschritte bei den Feuerwaffen in der Mitte des 14. Jahrhunderts gebaute zweite Ringmauer, auch Zwingermauer genannt, wurde dagegen aus hellem Sandstein errichtet, der überwiegend aus der Gegend um Plochingen stammt. Und auch im Keller an der Widerholtstraße findet sich solcher Stein.

Zu diesen Stein gewordenen ¸¸Jahresringen'' kommt hinzu, dass der Stadtbrand von 1690 unübersehbar seine Spuren hinterlassen hat und laut Laskowski vermutlich erst danach beim Wiederaufbau der Keller ein Gewölbe bekommen hat. Und die Spuren reichen bis in die letzten Kriegsjahre, als die Keller noch schnell luftschutztauglich gemacht werden sollten.

Forschungsstoff bieten in der Teckstadt auch die Nachgeburtstöpfe. Sie wurden in der Widerholtstraße teils mit dem Deckel nach unten aufgefunden, frühere Funde waren auch mit einem Drudenfuß markiert.

Über neue Grabungen und Funde in der Teckstadt wurde am 20. Januar im Spitalkeller informiert...

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