Artikel aus den
Stuttgarter Nachrichten
vom 5.9.2001
Nachbarkreise



Auch die Grabung im Steinzeitdorf steht auf der Kippe

Der archäologischen Untersuchung in Ensingen bei Vaihingen an der Enz droht das finanzielle Aus

Vaihingen/Enz - Fachkreisen ist die Feldflur um den Vaihinger Stadtteil Ensingen ein Begriff - europaweit. Die Grabungsstätte an der Kreisstraße nach Illingen gilt als Musterbeispiel fürs Leben der Menschen in der Jungsteinzeit. Das über 5000 Jahre alte Archiv im Erdboden stellt für die Archäologen eine wahre Fundgrube dar.

VON SASCHA SCHMIERER

Wie entdeckten die Menschen den Ackerbau, was säten und ernteten sie, wie lebten sie zusammen, und was geschah, als die vergleichsweise grazil gebauten Einwanderer aus dem Donautal auf robust beschaffene Einheimische trafen - auf dem Gelände des künftigen interkommunalen Gewerbegebiets Ensingen-Süd schlummert eine Fülle von Erkenntnissen übers Leben der ersten Ackerbauern im Untergrund.

Fraglich ist freilich, wie lange die Wissenschaft noch Nektar aus dem unterirdischen Archiv saugen kann. Wie mehreren anderen Grabungsstätten im Land droht auch der Untersuchung des Ensinger Steinzeitdorfs das finanzielle Aus. Kurz vor Abschluss der Ausgrabung steht das Großprojekt offenbar auf der Kippe. Die Reste der Jahrhunderte bestehenden Siedlung komplett aus dem Boden zu heben, hat sich Grabungsleiter Rüdiger Krause, Oberkonservator beim Landesdenkmalamt, längst abgeschminkt. Er hofft, im kommenden Jahr wenigstens noch zu der Stelle vorzustoßen, wo der Friedhof der Steinzeitmenschen vermutet wird - wenn dafür das Geld reicht. Rund eine halbe Million Mark (255.600 Euro) kostet die Grabung jährlich. Den größten Teil trägt das Arbeitsamt, das die bis zu 15 auf ABM-Basis beschäftigten Grabungshelfer fördert. Den Rest bezahlt die Toto-Lotto-Stiftung - ein Topf, aus dem sich jetzt die Landesregierung bedienen will. Seit acht Jahren wird auf dem rund sechs Hektar großen Areal gebuddelt - der Siedlungsplan mit Dorfgraben und zahlreichen Hockergräbern ist nahezu vollständig freigelegt. Das im Halbrund um das Dorf angeordnete Gräberfeld gilt als eine archäologische Sensation: Nie zuvor ist Derartiges entdeckt worden. Auch durch spektakuläre Einzelfunde wie einen mit geometrischen Ornamenten verzierten Knochenhammer oder den Kopf einer kultisch verehrten Stierplastik hat sich die Grabung einen Namen gemacht.
Präsentiert werden die Funde am Sonntag von 13.30 bis 17.30 Uhr. Vorführungen der experimentellen Archäologie zu Handwerk und Jagdtechnik ergänzen die Schau.

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