Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 5.6.2001
KULTUR



Sie helfen, aber sie machen auch Arbeit

Landesarchäologen diskutieren in Kempten über die notwendige Mitarbeit von Ehrenamtlichen

Im "Internationalen Jahr der Freiwilligen'', das die Vereinten Nationen ausgerufen haben, liegen die Landesarchäologen mit ihrem Kemptener Kolloquium über "Das Ehrenamt in der Archäologischen Denkmalpflege'' goldrichtig. Unwidersprochen hat der Vorsitzende des Verbands der Landesarchäologen in der Bundesrepublik, der Stuttgarter Denkmalamtspräsident Dieter Planck, festgestellt, dass die Archäologische Denkmalpflege auf ehrenamtliche Mitarbeit nicht verzichten könne. Das ist so, weil eine flächendeckende Beobachtung von Fundstellen, eine Überwachung der Baustellen, bei denen archäologische Funde und Befunde zutage treten können, aus zeitlichen, vor allem aber aus personellen Gründen den staatlichen Denkmalpflegern gar nicht möglich ist.

So sind die Wissenschaftler also auf der Suche nach freiwilligen Helfern, die ihnen einen Teil der Routinearbeit abnehmen können. Ein Raunen ging durch die Reihen der Zuhörer, als ihnen Adrian Olivier aus London die Verhältnisse in Großbritannien schilderte. England, du hast es besser! Amateure und freiwillige Helfer, von den Pfadfindern bis zu den Rentnern, sind dort in zum Teil gigantische archäologische Projekte eingebunden. Engagierte Vereine zählen bis zu zehntausend Mitglieder. Zum Vergleich: die ehrenamtlichen Mitarbeiter in ganz Deutschland werden auf etwa zweitausend geschätzt.

Flemming Rieck aus Roskilde berichtete über Dänemark, wo die heimische Vorgeschichte in der Schule gelehrt und im Radio und Fernsehen zur besten Sendezeit einen festen Platz habe. "Archäologie ist Volkseigentum'', erklärte Rieck, und daher gebe es zahllose einzelne oder in Clubs organisierte freiwillige Helfer.

Hier zu Lande ist das mühsamer. Mit Informationsveranstaltungen, Vorträgen, Vorführungen sowie Aktiv- oder Erlebnisurlaub bei Ausgrabungen müssen Interesse geweckt und Interessierte gefunden werden. Über entsprechende Projekte berichteten Referenten aus Sachsen-Anhalt, Freising und Thüringen. "Archäologie als sinnvolle Freizeitgestaltung für Jugendliche und Kinder'' komme gut an. Freilich wurden auch Warnungen laut: "Archäologie ist kein Kinderspiel.''

Deutsche Studien, die Stephanie d'Huc-Rudolph vorstellte, machen den Archäologen Hoffnung. Jeder dritte oder fünfte Bundesbürger sei bereit, ehrenamtlich mitzuarbeiten. Allerdings nur befristet und nach eigenem Gutdünken. In den Dienst einer Sache wollen sich nur wenige stellen. Und schon gar nicht nachhaltig und zuverlässig. Die Fun-Generation setzt andere Prioritäten. So können sie mal als Grabungshelfer gewonnen werden, aber kaum als ehrenamtlicher Beauftragter des Denkmalamts.

Zu den "klassischen Aufgaben'' eines Ehrenamtlichen gehört nicht das Ausgraben, sondern "die Beobachtung bekannter und die Entdeckung neuer Fundplätze'', sagt Bayerns Landesarchäologe Erwin Keller, also die Prospektion, das Auflesen von Oberflächenfunden und das Weitermelden des Entdeckten sowie die Kontrolle von Bodendenkmalen. Die Ehrenamtlichen sind vor allem "die Augen des Landesdenkmalamts'', das nicht immer und überall präsent sein kann.

Bei den Ehrenamtlichen, referierte Helmut Bender aus Passau, "beherrscht der Einzelgänger die Szene'', der Individualist, der - wie Walter Joachim aus Stuttgart, ein mit dem Württembergischen Archäologiepreis ausgezeichneter "Vorzeige-Ehrenamtlicher'' ergänzte - "von Begeisterung bis Leidenschaft'' für die Archäologie angetrieben wird.

Solche Menschen sind Chance und Risiko zugleich. Die Risiken wurden beim Kolloquium kaum angesprochen: Hobbyarchäologen, die sich nur für ihr Spezialgebiet interessieren und Funde unterschlagen; rasch beleidigte Besserwisser und Spintisierer, die den Facharchäologen viel unnötige Arbeit machen; Selbstherrliche, die sich Befugnisse anmaßen, Illoyale und Unzuverlässige. Auch dürfe die Mitarbeit nicht "in Beliebigkeit abgleiten'' (Kemptens Stadtarchäologe Gerhard Weber), sondern müsse "Ausdauer und Biss'' (Joachim) haben. Die Chancen liegen im weder Zeit noch Arbeit scheuenden Engagement der Helfer, in ihrer lokalen Orts- und Personenkenntnis und in der Bereitschaft, sich fortzubilden.

Schulung in Theorie und Praxis ist nötig. Diese sieht dank der Kulturhoheit der Länder recht verschieden aus, ist aber meist unzureichend. Denn die Arbeit mit den Ehrenamtlichen kostet die Facharchäologen viel Zeit und Geduld. Friedrich Lüth, Chefarchäologe von Mecklenburg-Vorpommern, und der Freiburger Rolf Dehn betonten, wie wichtig es ist, einen engen menschlichen wie fachlichen Kontakt zu den Mitarbeitern zu pflegen. Das kann meist nur nach Feierabend geschehen, was zu vielen Überstunden führt.

So nehmen die ehrenamtlichen Kräfte den hauptamtlichen Archäologen zwar manche Aufgabe ab, sie bereiten ihnen aber auch viel neue Arbeit. Ehrenamtliche können die hauptamtlichen Archäologen nicht ersetzen, Einsparmöglichkeiten für den Staat ergeben sich nicht daraus, resümierte Planck. Die Finanz- und Personalausstattung der Ämter muss vielmehr noch verbessert werden.

Von Dieter Kapff

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